Im Gespräch
Gedanken zur Ortsspezifik
Ina Geißler & Fabian Lippert
Der Architekt Fabian Lippert und Bildende Künstlerin Ina Geißler verfolgen in ihren Projekten einen interdisziplinären Ansatz – zwischen Bildender Kunst, Design und Architektur. Ortsspezifität ist dabei von zentraler Bedeutung: Architektur, Mobiliar und Kunstwerke entstehen als Resonanz auf die räumlichen Bedingungen oder das architektonische Umfeld – und stehen somit immer in Beziehung zum sozialen Kontext eines Standortes.
Wie entstehen solche Projekte, die auf die Geschichte, auf die architektonischen Gegebenheiten eines spezifischen Ortes verweisen? Beide beschreiben dies anhand gemeinsamer Vorhaben im Stadtraum sowie anhand ihren Erfahrungen als Stipendiat*in der Akademie der Künste in der Villa Serpentara, die oberhalb der italienischen Gemeinde Olevano Romano in der Nähe von Rom gelegen ist.
Ina Geißler: Du bist nicht nur Architekt, sondern entwirfst auch Möbel. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Stadtmobiliar, das Du zum Beispiel für den Quartiersplatz Grone in Göttingen entworfen hast und den Architekt*innen, die Dich vor und während Deines Architekturstudiums fasziniert haben?
Fabian Lippert: Ja, in Grone ging es zunächst darum, aus einem für dem Abriss vorgesehenen Parkdeck, das zentral in einem Neubau-Wohnquartier der 1970er Jahre steht, einen öffentlichen Raum zu schaffen. Die exponierte Lage des Stadtplatzes, dessen Plateau ca. 1,80 Meter über dem umgebenden Terrain liegt, war die besondere stadträumliche Situation. Durch die Anordnung von umlaufenden Treppenanlagen entstand ein erhabener Pyramidenstumpf, auf dem der Stadtplatz liegt. Formal wurde das Motiv der Pyramide beziehungsweise Raute bestimmend für die weiteren Elemente des Entwurfs: Von den in umgekehrter Pyramidenform abgependelten Leuchten unter den beiden Pergolen bis hin zu den Details der Bänke und rautenförmigen Gitter, Netze etc.
Vorbilder waren Louis Kahn, dessen Projekte formale Strenge, menschlichen Maßstab und die Möglichkeit der sinnlichen Erfahrung zusammenbringen. Eine zeitlose, archaische Architektur. Ein zweites Vorbild war für mich die Architektur von Albert Viaplana, bei dem ich in Barcelona studiert habe. Er hat in seinen Arbeiten vermittelt, dass ein spielerischer Umgang mit Stadtraum und der nonkonforme Gebrauch von Bestehendem zu belebten, von den Bewohner*innen der Stadt angenommenen Räumen führen kann.
FL: Wir haben im Rahmen dieses Projektes zusammengearbeitet und einen interdisziplinären Ansatz verfolgt: Architektur, Design und Bildende Kunst wurden zusammengedacht. Du hast das Bodenbild auf dem Platz entworfen, welche Gedanken liegen diesem zugrunde?
IG: Ich habe den Platz samt Mobiliar mittels Buchstaben in einzelne Bereiche (Tischtennis, Sitzen, …) unterteilt. Der Ort Grone beziehungsweise die Bewohner*innen sollten sich mit dem Platz identifizieren: Daher kam mir die Idee, den Ortsnamen parzellierend zu verwenden. Es sollte jedoch etwas Rätselhaftes entstehen, und so habe ich die Buchstabendicke denen von Sportplatzmarkierungen angeglichen und über den ganzen Platz vergrößert. Das macht natürlich die Lesbarkeit erst im Abschreiten der Buchstaben möglich.
FL: Tatsächlich habe ich beim Besuch festgestellt, dass die Bewohner*innen die Buchstaben „abjoggen“ – als Joggingstrecke nutzen.
IG: Macht es einen Unterschied für Dich, ob Du einen Innen- oder einen Außenraum gestaltest?
FL: Nein, nicht unbedingt. Es geht mir generell um den Ort beziehungsweise den Kontext. Im Büro LKA-Berlin haben meine Büropartnerin Sandra Kavelly und ich möblierte Apartments für Studentenwohnheime entworfen – für bereits in der Planung befindliche Gebäude. Auch hier gab es fest stehende Rahmenbedingungen, auf die wir uns eingelassen haben. So wurde das Gebäude in Holz-Hybrid-Bauweise gebaut, was bedeutete, dass es im Inneren der Apartments sehr dominierende Oberflächen gibt. Die Außen- bzw. Fensterwand ist sichtbar aus massivem Holz, bei der Decke handelt es sich um Sichtbeton, die weißen Innenwände sind in Trockenbau-Weise gefertigt und als Bodenbelag wurde ein kräftig unifarbener PVC verlegt. Unsere Möbel wurden deshalb weiß, um den Raum nicht noch weiter vor zu definieren. Schließlich sollte bei einem Student*innenapartment auch der / die Student*in eigene Akzente setzten können, um sich wohl zu fühlen.
FL: Die Frage lässt sich aber auch anders beantworten: Natürlich kommt es bei Möbeln auch auf das Maß der Exponiertheit an. Es ist schwierig, gerade eher kleinere Räume (was meist der Fall ist) mit allzu lauten Möbeln auszustatten. Schön finde ich es, wenn ein Innenraum immer noch genügend Freiraum bietet, dass der / die Nutzer*in persönliche Spuren hinterlassen kann.
IG: Man kann also Deinen Schwerpunkt darin sehen, dass Du auf räumliche Gegebenheiten reagieren willst und weniger eine all-anwendbare Marke entwickeln möchtest?
FL: Ja. Wie ist es bei Dir? Du hast viele Jahre gemalt und gezeichnet. Vor zehn Jahren hast Du Deine Technik grundlegend geändert. Was war der Grund?
IG: Die jeweilige Umgebung, in der ich gelebt und gearbeitet habe, ist immer sehr stark mit in meine Malerei eingeflossen. Auch ich habe weniger eine „Marken-Malerei“ etablieren wollen. Stattdessen hatte ich das Bedürfnis, auf aktuelle Situationen zu reagieren. Dabei ging es mir immer mehr um unterschiedliche Ausdrucksformen. Mein inneres Gespräch während des Malens wurde selber zum Bildgegenstand. Daraus sind u. a. meine heutigen teils wandfüllenden Zettelwände und Wortbilder entstanden.
IG: Das Zwiegespräch mit der Leinwand mündete für mich in ein starkes Bedürfnis, das während des Bildschaffungsprozesses verbundene „Schweigen“ in Worte zu fassen. Das ist paradox, aber es reizt mich bis heute – in Folge dessen habe ich beispielsweise meine räumlichen Cut-Outs wie in der Werkreihe Poetische Anweisungen kreiert.
IG: In jüngster Zeit arbeite ich im und mit dem öffentlichen Raum. 2017 habe ich in Torgau meine Wortbilder haushoch aus LKW-Planen ausgenschnitten und eine Straße damit scheinbar versperrt. Hier ging es um die verschiedenen Formen von EINANDER, dem Wortkern von allen Formen des „Mit-, Gegen-, Durch-, Um- und Zueinanders“, aber auch des „Aneinandervorbeis“.
FL: In welchem Verhältnis stehen für Dich die Projekte im öffentlichen Raum zu Deinen Atelierarbeiten?
IG: Für mich gibt es diese zwei Pole: die Atelierarbeit und die Zusammenarbeit mit anderen. Beides ist für mich wichtig, auch wenn sich die Ausdrucksformen bezüglich der Intimität der Werke deutlich voneinander unterscheidet.
FL: Manchmal gibt es allerdings auch unverhoffte Überschneidungen: Als wir beide 2018 die Spiegelinstallation KUNFT in Alt Gaarz, Mecklenburg Vorpommern entwickelt haben, zum Beispiel.
IG: Stimmt. Hier ging es darum, den Kircheninnenraum einer alten Dorfkirche behutsam in ihrer Besonderheit zu betonen. Es hatte sich seit sehr langer Zeit fast nichts mehr hier verändert. Nicht einmal Strom gibt es in dieser Kirche. Wir wollten diese Zeitlosigkeit thematisieren und eine sehr langsame Bewegung durch unser Mobile einbauen. Es macht bis heute Freude, im Innenraum zu stehen und immer wieder neue Blickwinkel zu entdecken. Die Überschneidung zu meinen früheren Arbeiten wurde uns deutlich, als wir anfingen, unsere Beobachtungen zu fotografieren. Die analogen Ergebnisse ähnelten meinen Fotomontagen aus verschachtelten Raumsituationen, die ich früher gemacht hatte.
FL: Auch bei anderen Arbeiten ging es uns darum, so wenig wie möglich mit „Sichtbarem“ einem Ort etwas hinzuzufügen, sondern eher auf das aufmerksam zu machen, was unmittelbar da ist.
IG: Ja. Ein wichtiges gemeinsam realisiertes Projekt ist diesbezüglich auch Unterton (2012) am Martin Gropius Bau in Berlin. Es ist eine permanente Klanginstallation auf dem Südplatz des Museums. Dort haben wir zu den bestehenden beiden Gullys sechs zusätzliche Gullys in den Boden eingelassen. Passant*innen können durch ihre, von einer Kamera überwachten und an einen Computer übermittelte, Bewegungen auf dem Platz verschiedene Klangmuster auslösen. Die Klänge entstehen dadurch, dass Kirchenglockenhämmer von unten gegen die Schachtabdeckungen klopfen. Es entsteht dabei eine poetische, zeitenthobene Irritation des Alltags.
FL: Der Idee zu dieser Installation ging eine intensive Recherche voraus: Die unterirdischen Klopfgeräusche in der unmittelbaren Nachbarschaft der Topografie des Terrors und die dortigen ehemaligen unterirdischen Gefängniszellen erinnern sinnlich erfahrbar an die historische Dimension des Ortes. Man kann die Klänge auch als Anspielung auf den in den 1920er Jahren benachbarten Sommergarten mit Tanzvergnügen im Freien verstehen.
IG: Woran hast Du während deines Stipendiums 2019 in der Villa Serpentara in Olevano gearbeitet?
FL: Ich habe Möbel für den Ort entworfen. Generell ist es mir bei jedem Entwurf wichtig, mich mit dem spezifischen Ort umfassend auseinanderzusetzen. Die Gelegen auf einer Bergkuppe oberhalb der Ortschaft Olevano Romano haben Landschaft und Gebäude eine besondere Geschichte: Der Wald wurde einst von deutschen Malern 1873 erworben, um ihn vor der Abholzung zu schützen. Über Umwege kam er in deutschen Staatsbesitz. Für Generationen deutscher Maler und Zeichner des 19.Jahrhunderts war der Ort Pilgerstätte und Quell unzähliger romantischer Zeichnungen und Gemälde. Auch heute beeindrucken die knorrigen Eichen in Mitten von Felsbrocken auf der Bergkuppe hinter der Villa und die fantastische Weitsicht auf Tal und die umgebenden Bergketten. Der Ort erinnert immer noch an die Sehnsucht nach einem idealen Arkadien, einer harmonischen Verbindung von Natur und von Menschen gestalteten Umwelt. Die Villa ist eigentlich ein einfaches Landhaus mit zwei Etagen mit jeweils einem großen Raum: Wohnraum im Erdgeschoss, Atelier im Obergeschoss. Vorgelagert ist je eine Loggia. Verbunden sind die Etagen durch eine Außentreppe (auch hier wird man unmittelbar mit der Natur konfrontiert). Während die mächtigen Erdgeschosswände und die vorgelagerte Rundbogen-Loggia verputzt sind, sind Dach und die Loggia des Obergeschosses rustikal gehalten. Der Aufenthalt in der Villa bietet eine Chance, Selbstverständnisse des Alltagslebens in Berlin zu hinterfragen. Diesen Aspekt, der temporären anderen Heimat, habe ich versucht zu thematisieren und somit auch das Gefühl der Unabhängigkeit, des Zurückgeworfenseins auf sich selber, das romantische Ideal der Kreativität in der Einsamkeit in der Natur zu reflektieren.
IG: Du hast einen Thron für die Villa Serpentara entworfen.
FL: Der Entwurf des Serpentara-Throns ist ein spielerischer Kommentar zum vierteljährigem Leben am und im Künstlerhain. Der Thron ist eine „Baby-Version“ der Villa: Sockel und Sitzfläche übernehmen die Loggia-Bögen, auch die rustikalen Pfeiler des Obergeschosses sowie die flach geneigte pyramidenförmige Dachform werden aufgenommen. Der Thron steht an einer malerischen Stelle im Hain mit Ausblick in die Umgebung. Es gibt vier Sitzrichtungen, für jede*n Stipendiat*in eines Jahrgangs eine.
IG: Du hast eine weitere Möbelserie entworfen, die Themen des Ortes aufnehmen.
FL: Ja, diese Möbel sind allerdings „mobiler“: Stühle und Sessel, nutzbare Alltagsmöbel. Mir ging es bei diesen Möbeln in erster Linie um formale Fragen und die Verknüpfung mit dem Ort, mein Ziel war nicht, das Sitzen neu zu erfinden. Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist auch wieder das Haus. In der Vila fand ich neuproduzierte verchromte Stahlrohrmöbel vor, die praktisch und an sich gestalterisch „okay“ sind: Freischwinger und Drehstuhl, die sogenannte Ameise von Architekt und Designer Arne Jacobsen – Möbel, die mit dem Label international Design versehen werden können. Mein Ziel war es, eine Möbelserie speziell für diesen Ort zu entwickeln, die das rurale Erbe der Villa der romantischen Natur-Maler aufnimmt und sich modernen Formen und Techniken dennoch nicht verschließt.
IG: Welche Beobachtungen hast Du vor Ort gemacht, die für Deine Arbeit wichtig waren?
FL: Es zeigt sich, dass Olevano hinsichtlich seiner Architektur und Stadträume als Ort sehr heterogen ist, vor allem die mittelalterliche Altstadt, die wie eine steinerne Felsformation dicht verwachsen auf dem steilen Hang klebt. Die Gassen sind teilweise kaum zwei Meter breit, sie winden sich durch die Hausmasse, bei der man die Übergänge zwischen den einzelnen Häusern kaum erkennen kann. Immer wieder gibt es katakombenartige öffentliche Durchgänge oft mit Treppen durch die Häuser- und Felsformationen. Balkone oder halböffentliche Vorräume findet man nur wenige. Man kann daran ablesen, dass die Altstadt zu einem Zeitpunkt erbaut wurde, zu dem Baumaterialien knapp waren und versucht wurde, im Schutz der Burg – die auf dem Hügel thront – möglichst eng aneinanderzurücken – nichts scheint überflüssig gebaut oder nicht materialgerecht benutzt.
An der Via Roma, die sich bereits außerhalb der Altstadtmauer befindet, liegt das Rathaus und der zugehörige Platz. Hier, in der Neustadt, sind die Gebäude teilweise repräsentativer, die Bauweise nicht durchgängig geschlossen. Die Vielzahl der Bauwerke, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden sind, sprengen in ihren Dimensionen allesamt das bisher Dagewesene. Es handelt sich zumeist um Geschosswohnungsbau in einfacher Betonbauweise mit bis zu acht Etagen. Auf landschaftliche Aspekte, auf die Einbindung in die Topografie oder den Ort wurde zumeist kein oder wenig Wert gelegt. Die Architektur könnte man bis auf wenige Ausnahmen als grob bezeichnen. Wohnungen scheinen aus dem Inneren heraus entwickelt, die Fassaden und Proportionen sich daraus ergeben zu haben. Besonders häufig sind umlaufende Balkone zu sehen; bei einigen gibt es handwerklich feine Geländelösungen.
Moderne, anspruchsvolle Architektur findet sich eher auf den zweiten Blick. Mir gefallen die öffentlichen Räume und Plätze: zum Beispiel der Travertin-Brunnen am Fuß der Altstadt sowie die nun stillgelegte Mittelschule. Im Vergleich dazu ist der Neubau der Schule an der Piazza Karol Wojtyla erschreckend. Im Detail zeigt sich der widersprüchliche Umgang mit Material in Bezug auf den Ort: Einerseits sind die Bordsteine am Weg zur Schule aus Travertin und ordentlich gepflastert. Anderseits löst sich der Straßenbelag auf und Poller stehen als Langzeit-Provisorien auf der Straße vor der Schule.
IG: Mir erscheint die neugebaute Architektur eher aus der Perspektive derer, die aus ihr herausschauen gedacht, weniger aus der Perspektive derer, die von außen drauf schauen. Die Aussicht aus den Wohnblöcken am Hang muss grandios sein! Die Häuserblocks für sich gesehen sind aber wenig eingebettet in die sie umgebenden Natur. Es geht weniger um das individuelle Erscheinungsbild. Es wird wahrscheinlich mehr in Gemeinschaften gedacht, günstiger Wohnraum für Familien geschaffen. Soziale Kontrolle und Aufgehobenen-Sein im Familienverbund greifen wahrscheinlich hier ineinander. Was leitest Du aus deinen Beobachtungen für Deine eigenen Entwürfe ab?
FL: Es ist nicht so einfach, in den Gebäuden des modernen Olevano Schönheit zu finden – zu pragmatisch und wenig sensibel sind die Neubauten gesetzt. Formal gibt es aber dann doch ein paar Anknüpfungspunkte: Das (nördlich der Alpen eher ungewöhnliche) Bogen-Motiv findet sich in allen Architekturepochen der Stadt – auch in den mächtigen Doppelbögen der Loggia der Villa Serpentara. Die zumeist pragmatischen Gebäude von Olevano haben wenig Schmuck. Besonders sind jedoch bei einigen Häusern die schmiedeeisernen Gitter und Geländer. Häufig kommen auch hier runde und florale Formen zum Einsatz. Interessant fand ich auch die handwerklichen Techniken die im Stadtmobiliar zu entdeckenden ist, wie zum Beispiel bei Holzstühlen mit groben Bastbezügen. Schließlich war ich beeindruckt von der Sammlung unterschiedlichster Sitzmöbel aus allen Epochen im Palazzo Colonna-Marcucci in Olevano. Neben ungewohnten funktionalen Erfindungen ist auch die in vielen Fällen beabsichtigte Repräsentanz bei vielen historischen Möbeln faszinierend und noch heute wirksam.
FL: Mir geht es darum, die am Ort gefundenen besonderen Motive und historischen Techniken mithilfe moderner Elemente und zeitgemäßer Fertigungstechniken spielerisch zusammenzuführen.
FL: Du hast Dich in Italien mit Zäunen befasst. Worum geht es Dir?
IG: Zäune sind Symbole für Übergangssituationen. Es macht einen Unterschied, ob ein Zaun dekorativ das Revier absteckt, einen Status repräsentiert oder vor den Blicken von Eindringlingen schützt. Hier in Italien gibt es oft Zaunsituationen, die den Bereich zwischen innen und außen auf ausgedehntere Weise „umspielen“: Treppen und ihre Geländer werden außerhalb des Hauses gebaut und sind erweiterte Terrassen; Balkone werden blickdicht vor Sonneneinfall geschützt und wirken wie erweiterte Wohnzimmer. Mich beschäftigen die verschiedenen Formen des Miteinanders und die jeweiligen Begrenzungen, die beispielsweise durch Gartenzäune ihren Ausdruck finden. Während des Aufenthaltes In Olevano (2019) habe ich an Entwürfen für Gartenzäune gearbeitet, die als Kleider tragbar sind und somit auf einer physischen und psychischen Ebene zwischenmenschliche Grenzen erfahrbar machen sollen. Sie umzäunen sozusagen die innere Landschaft der jeweiligen Träger*innen.
FL: Siehst Du eine Überschneidung zwischen unseren Arbeiten in Olevano?
IG: Ja. Dein Thron und meine Zaunkleider haben aus meiner Sicht etwas mit der romantischen Vorstellung des Alleine-seins in der Natur zu tun.
FL: Stimmt, allerdings ist mein Thron fest installiert, um den Blick in die Landschaft schweifen zu lassen, wohingegen deine Kostüme die Person als Einzelne sich frei bewegen lassen.
*1972 in Augsburg, lebt in Berlin
Fabian Lippert hat Architektur an der Technischen Universität Dortmund, der Escola Tècnica Superior d’Arquitectura de Barcelona und der Universität der Künste, Berlin studiert. Arbeitsschwerpunkte sind klassische Architekturprojekte, Kunst-am-Bau- Projekte und Möbelentwurf. Zusammen mit Sandra Kavelly betreibt er das Architekturbüro LKA-Berlin.
Mehr über Fabian Lippert*1970, lebt in Berlin.
Ina Geißler ist bildende Künstlerin, sie hat Malerei an der Universität der Künste in Berlin studiert und war Meiserschülerin bei Marwan. Geißler hat in letzten Jahren vermehrt interdisziplinäre Projekte realisiert.